
BioGeoChemistry of Tidal Flats
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Die Nordsee frisst den Schlick im Watt
Das Watt hinter den Nordseeinseln versandet immer mehr. Das haben Forscher der Universität Oldenburg herausgefunden, die zwischen Langeoog und Spiekeroog einen Messturm betreiben.
Niedersachsen - Die einen lieben das Buddeln nach Würmern und Muscheln, die anderen genießen es, stundenlang über den grauen Schlick ins weite Nichts zu wandern: Das Wattenmeer zieht Jahr für Jahr Tausende Urlauber an. Was die wenigsten bemerken: Das Watt hinter den Nordseeinseln versandet immer mehr. Neue Forschungsergebnisse zeigen: Die Bilanz stimmt nicht mehr. Bei Ebbe wirbelt mit der Strömung mehr Schlick ins offene Meer hinaus, als von dort ins Watt hineingeschwemmt wird. Um ein genaues Bild über den Wettstreit der Elemente zu bekommen, haben Forscher zwischen Spiekeroog und Langeoog einen Messturm ins Wattenmeer gestellt. Mancher Feriengast wird sich bereits gefragt haben, was es auf sich hat mit den beiden gelb leuchtenden Containern, die auf der Spitze eines Pfahls hoch über dem Meer thronen. Der Messturm steht genau „im Tor zur Nordsee“, erläutert Prof. Jürgen Rullkötter, Leiter der Forschungsgruppe BioGeoChemie an der Universität Oldenburg. Mit rund 70 Mitarbeitern erforscht Rullkötter die Veränderungen im Watt. Denn den Engpass zwischen den Inseln müssen fast alle Sand- und Schlickteilchen passieren, die mit den Gezeiten zwischen Watt und Nordsee transportiert werden. Dass Inseln wie Wangerooge, Juist oder Norderney in Winterstürmen ständig Sand verlieren, ist ein großes Problem für den Tourismus. Inzwischen müssen viele Strände mit angeliefertem Sand für die Saison aufgepäppelt werden. Forscher des Senckenberg Instituts in Wilhelmshaven vermuten, dass sich die Inseln langfristig immer weiter zur Küste hin verlagern und ihre dem Meer zugewandte Seite langsam von den Fluten abgenagt wird. „Der Messturm liefert uns wertvolle Daten, die wir sonst nicht bekämen“, sagt Institutsleiter Prof. Burghard Flemming. So habe die Projektgruppe nachgewiesen, dass sich kaum noch feiner Schlick im Watt absetzt. „Das Watt versandet immer mehr“, bestätigt sein Kollege Rullkötter von der Uni Oldenburg. Die Ursache liegt nach Ansicht der Forscher im Deichbau. Das Nordseewasser trifft auf immer mehr Befestigungen und kann nicht mehr ruhig auslaufen. Schlick und sehr feiner Sand lagern sich nicht ab, sondern werden wieder ins offene Meer geschwemmt. Dieser Effekt verstärkt sich mit dem steigenden Meeresspiegel. „Reines Schlickwatt gibt es nur noch im Jadebusen und im Dollart“, berichtet Flemming. An den ostfriesischen Inseln existierten davon nur noch Flecken. Auch die auf Schlick gedeihenden Salzwiesen finde man nur noch selten. Was Naturschützer aufregt, sehen die Wissenschaftler eher gelassen. „Das Watt verschwindet nicht, aber es verändert sich“, sagt Flemming. Für den Tourismus hat diese Entwicklung vorerst keine Folgen. „Es gibt immer noch Stellen, an denen man bei Wattwanderungen hüfttief im Schlick versinkt“, versichert der Meeresforscher. Zu spüren bekommen dies schon heute Tiere und Pflanzen. Wird der Untergrund sandiger, können Schlick liebende Jungmuscheln und Wattwürmer nicht überleben. Andere Lebewesen siedeln sich im Meeresboden an. Vögel und Fische, die sich von den Schlickbewohnern ernähren, werden vertrieben. Ein Neusiedler im Wattenmeer jedoch gedeiht auf sandigem Boden besonders gut. Die pazifische Auster breitet sich rasant aus im Watt – auf Kosten der heimischen Miesmuschel. Von Margit Kautenburger
Veröffentlicht 03.08.2005 18:24 Uhr Zuletzt aktualisiert 03.08.2005 20:26 Uhr