BioGeoChemistry of Tidal Flats

Newspaper articles


Bild

Watt versandet immer mehr

MEERESFORSCHUNG Schlick verschwindet - Stratmann besucht Forschungsinstitute.

Meeresforschung habe hohen Stellenwert, sagt Wissenschaftsminister Lutz Stratmann. Es gibt jedoch Probleme bei der praktischen Umsetzung Von Hans Drunkenmölle
WILHELMSHAVEN / OLDENBURG -
Große Leistungsfähigkeit und internationales Renommee der Meeresforschung im Nordwesten hat Niedersachsens Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (CDU) gelobt. Ergebnisse der Grundlagenforschung müssten so schnell wie möglich in Produkte umgesetzt werden, sagte der Minister bei einem Besuch des Forschungsinstitutes "Terramare" gestern in Wilhelmshaven. Doch genau in diesem Punkt hakt es: "Terramare"-Direktor Dr. Gerd Liebezeit beklagte anhaltende Defizite bei der Vermittlung von Forschungsergebnissen auf die Anwender-Ebene. Der Biochemiker forderte "Transfer-Stellen" mit speziell ausgebildeten Wissenschaftlern und Technikern, die quasi "Übersetzungs-Funktionen für industrielle Praktiker" übernehmen könnten. "Terramare" präsentierte dem Minister insbesondere zwei anwendungsorientierte Projekte: Nach vierjährigen Versuchen hat das
Institut den Nachweis erbracht, dass sich junge Miesmuscheln in großen Mengen auf langen Leinen ansiedeln und von dort geerntet werden können, auch wenn im Rest des Wattenmeeres die Miesmuschelbrut eher selten ist. Mittlerweile erprobt ein Fischereibetrieb die Kollektoren unter kommerziellen Bedingungen. Noch nicht ganz so weit fortgeschritten ist ein Projekt zur Aufzucht von Seezungen in einer geschlossenen Kulturanlage. Die Forscher untersuchen verschiedene Möglichkeiten technischer und biologischer Wasseraufbereitung und wollen testen, welche Futtermittel von den Fischen optimal genutzt werden. Mit der Zukunft des Ökosystems Watt beschäftigen sich Wissenschaftler der mit "Terramare" eng kooperierenden ICBM-Meeresstation der Universität Oldenburg, die mit Hilfe einer aufwendigen Mess-Plattform im Spiekerooger Rückseitenwatt Bemerkenswertes festgestellt haben: Dem Watt geht mehr und mehr Schlick verloren, es versandet peu à peu. Dieser "langsame Prozess" ist nach Angaben von Professor Dr. Jürgen Rullkötter wohl eine Folge des Deichbaus, der die Auslaufzonen des Wassers verringert hat: So bleibt das Wasser aufgewühlt, Schwebstoffe können sich nicht mehr absetzen und werden aus dem Watt heraus transportiert. Das schmälert den Lebensraum für Würmer und Muscheln, die im Schlick leben und wichtige Reinigungsfunktionen in dem sensiblen Ökosystem haben, das auch als "Kinderstube für Fische" gilt. Dieser negative Effekt könnte durch den zu erwartenden Anstieg des Meeresspiegels und eine erhöhte Sturmhäufigkeit verstärkt werden, sagte Rullkötter.

NWZ 08.07.2004